Gesundheit und Gesundheitswesen
Gesundheit - Definition der WHO:
"Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen."
In der ICF (> Leitbild) hat die WHO im Jahr 2001 Krankheiten und deren Folgen klassifiziert. Im Gegensatz zu zuvor wurden Krankheiten nicht mehr störungsorientiert, sondern anhand vorhandener Ressourcen dargestellt. Es ist nun ein ganzheitlicher Blick auf den erkrankten Menschen, auf seine Lebenssituation, seine Umgebung und seine Persönlichkeit, die er mitbringt. Diese positive Sichtweise ermöglicht eine andere Herangehensweise in der Therapie - nicht die gestörte Funktion an sich steht im Mittelpunkt, sondern der Mensch in seinem familiären System und dem Bezug dazu. Entsprechend werden die Ziele in einer Therapie formuliert (> Ziele) und an die momentane Lebenswelt der Betroffenen angepasst.
Therapie wird stets umgesetzt innerhalb des Gesundheitswesens, das die Strukturen für gesundheitliche Versorgung vorgibt. Die Therapeut:innen sind daher angewiesen, in diesem Rahmen bestmöglich arbeiten zu können.
Leider - und das wissen wir vermutlich alle - sind die Voraussetzungen in den letzten 30 Jahren dafür nicht mehr wirklich gegeben und im Zuge einer politisch gewollten Ökonomisierung und Industrialisierung der Heilberufe in eine völlig falsche Richtung gelaufen.
Der erkrankte Mensch ist kein Produkt, das wie am Fließband abgehandelt werden kann. Mit dem hilfebedürftigen Menschen ist es nicht möglich, Gewinn zu erwirtschaften und durch durchorganisiertes, auf Zahlen reduziertes Handeln am Patienten vorbei, eine absolute Wirtschaftlichkeit und Gewinnmaximierung anzustreben.
Sicher ist es für jeden im Gesundheitswesen vor Ort Tätigen, sprich für jeden direkt an den Patient:innen Arbeitenden, eine tägliche Herausforderung mit den gegebenen Umständen zurechtzukommen. Getaktete Therapie-Einheiten, die den Verantwortlichen die benötigte ZEIT nehmen, um sich intensiv mit den Erkrankten auseinanderzusetzen. Zeit, die unabdingbar für Anamnese-Gespräche, Verlaufsgespräche, Beratungsgespräche ist. Und diese sind letztendlich die Grundlage jeglicher therapeutischen Beziehung und damit der erfolgversprechenden Therapie.
Die Frage stellt sich, wo da die Patient:innen bleiben, wo die Therapeut:innen.
Therapeutische Grundsätze
Für mein therapeutisches Handeln habe ich mir daher für mich wichtige Grundsätze zurecht gelegt, die mir persönlich als Orientierung dienen:
- sich ZEIT nehmen für den zu behandelnden Menschen
- das Gegenüber zu Wort kommen lassen und ZUHÖREN
- gemeinsam eine VERTRAUENSBASIS schaffen, um eine Zusammenarbeit zu ermöglichen
- Gespräche brauchen RAUM, SORGFALT, FEINGEFÜHL
- OFFENSEIN und AUFEINANDER EINGEHEN bedingen sich gegenseitig und helfen allen Beteiligten
- ein RESPEKTVOLLER UMGANG in Ton und auf Handlungsebene muss gegeben sein
- sich NICHT dem DRUCK VON AUßEN BEUGEN
An diesen Vorsätzen und Werten möchte ich mich im Gesundheitswesen entlanghangeln, um nicht selbst verloren zu gehen. Meine Erfahrung zeigt, dass dies durchaus möglich ist, wenn man in der Lage ist, flexibel zu reagieren und nur bestimmte Umstände toleriert - nämlich die, die für die Patient:innen und für uns als Therapeut:innen gut sind.
Literatur:
Giovanni Maio, Werte für die Medizin. Warum die Heilberufe ihre eigene Identität verteidigen müssen, München: Kösel 2018.